Worte

Im dunklen Raum sitze ich & schaue den Schiffen zu

Im dunklen Raum sitze ich hier und schaue den Schiffen zu, wie sie in den Hafen fahren. Die Positionslichter vor dunkler Bucht. Der Himmel verschwindend im Meer oder umgekehrt.
Die Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Deine Worte.

„Wir wollen mehr.“

Ein einfacher Satz, eine Klarstellung, eine simple Aussage. Aber ich empfinde sehr viel mehr dahinter. Hinter der Ruhe deiner Worte.

Das „wir“ waren nicht nur „Menschen wie wir“… oder?! –
Interpretiere ich zu viel? Du hast es klar und fast nüchtern gesagt. Und die Kraft deiner Gedanken darin kam mit großer und sehr ruhiger Welle bei mir an. Landete an den Ufern meiner Seele und strich als Brandung auf den Sand. Das waren „wir“ in aller Ruhe dort stehend zwischen all den Vielen. Deine Blicke, manchmal fragend oder sogar hinterfragend. Du forschst in mir. Kann das sein?

„Ich komm dich mal in Ruhe in Berlin besuchen.“

hast du gesagt. Und ich mit dem Abstand einer Sekunde des Begreifens dieser Aussage geantwortet „…mh, zu viel Kulisse hier, oder?!“
– Genickt hast du. Und es war wie ein Agreement. Ein Innerliches, das keiner weiteren Worte bedurfte. Hier, wo Dich alle kennen und mich die Hälfte, hier ist kein Ort für etwas Tieferes. Hier wäre nur ein Ort für die Oberfläche. Für das Offensichtliche. Für Anziehung, Verlangen… nur ein kurzer Moment im Leben. Und ein absehbares Ende als Trophäe – oder weniger böse gesagt – als Erinnerung im Leben des anderen.

Und du sagst „wir wollen mehr“ und lässt mir den Spielraum zu denken, zu fühlen, zu entdecken, wie du es meinst. Du spielst ein wenig. Lässt mich aber spüren, du willst nicht spielen. Du bist über spielen hinaus in deinem Leben.

So stehst du da vor mir und hast nie besser ausgesehen, nie schöner auf mich gewirkt, nie anziehender. Obwohl wir beide wissen, welche Anziehung vom allerersten Augenblick vor Jahren zwischen uns lag. So groß, so unübersehbar wie ein Möbelstück, ein großes Möbelstück, man hätte es anfassen können. Und drei Männer wären nicht stark genug gewesen dieses Mobiliar aus dem Raum zu tragen, der sich zwischen uns öffnete. Und vermutlich hat er sich nie wieder ganz geschlossen. Jeder in seinem Raum haben wir uns entwickelt, die Jahre unser Leben füllen lassen und immer wieder Wege gekreuzt.

Nun stehen wir zum ersten Mal voreinander und geben zu, was da ist. Erspüren vorsichtig die Präsenz des anderen. Ertappen uns bei Blicken, die sich streifen und lächeln scheu, obwohl wir das beide doch eigentlich nicht sind. – Oder doch? – Scheu, du und ich? – Und dieses Bild deines Blickes und Lächelns hat mich erobert. Schon immer mochte ich dich. Und doch hat es den Weg der Jahre gebraucht, um genau hier und heute und jetzt anzukommen.

Wie interessant du bist. Wie vielschichtig. Ich wette, kaum einer macht sich die Mühe, in deine Tiefe blicken zu wollen. Und du gewährst nicht jedem diesen Blick. Verbindlich bist du und offenherzig. Dennoch verbirgst du deine Seele schützend. Und niemand darf sie sehen oder erahnen. Du wählst gewissenhaft und vorsichtig, wen du erblicken lässt, was in dir liegt.

„Danke.“ hab ich geschrieben, nachdem sich die Wege trennten vor meiner Haustür. Auch die Tragweite meines „Danke“ wird mir erst schrittweise bewusst. Ein Danke für den Respekt vor dir, vor mir… und damit vielleicht ein Weg für ein „wir“, wie lang oder kurz es auch sein könnte. Aber mit diesem Augenblick… wäre da ein möglicher Weg. Ich denke, unter dem charmanten Mann mit so viel Nonchalance steckt eine tiefe Seele mit dem Wunsch nach Geborgenheit und der Sehnsucht, der eigenen Verletzlichkeit nachzugeben und sich auszuliefern. Oder wäre „hingeben“ das bessere Wort? Aber das wirst du nie wieder leichtfertig tun, nie wieder dich preisgeben, bevor du dich sicher fühlen kannst, wohl und geborgen in der Zuneigung eines Menschen mit gleichermaßen Verstand und Gefühl, wie du beides in dir trägst. Und da könnte es sein, das „wir“ aus „Wir wollen mehr“. Da ist eine Chance, eine Variante, die in einer simplen und schönen gemeinsamen Nacht nie entstehen könnte. Du scheinst eine Möglichkeit zu erblicken… genau wie ich. Die Verbindung steht. Eigentlich schon immer. Aber nun steht dieser vermutlich nichts mehr im Wege? Weder du, noch ich, noch die seltsame Welt da draußen, außerhalb der Herzen.

Und während ich den Blick wieder in die Dunkelheit wende, dorthin wo das schöne, weite Meer liegt, wehen all‘ deine Worte und Blicke noch durch meine Gedanken. Die großen Seefahrer wussten auch selten, wohin die Wellen sie tatsächlich tragen würden. Sie fuhren einfach los.

„Man muss ja nicht gleich heiraten und Kinder kriegen…“

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