Worte

Die Stille an einem Sonntagmorgen

Diese Stille an einem Sonntagmorgen. Während die Sonne schon lange fleißig ist und die Vögel mit Zwitschern beschäftigt.

Ich liebe diese Stille. Die Stadt schläft noch, weil ihre Bewohner es tun; kein Geräusch von Bewegung, kein Lärm, keine Stimmen. Die Zeit, wenn nur die Natur zu Wort kommt und die Menschen keinen „Krach“ machen, wie schon Tucholsky sagte. Wie ruhig 3,6 Millionen Individuen auf einem Fleck sein können! Herrlich!

So sitze ich mit einem Kaffee auf meinem Balkon und blinzle genüsslich Sonne und Tag entgegen. Eine Zeit, zu der die Gedanken fließen können gemeinsam mit der Emotion. Kein Wollen, kein Verlangen, einfach nur sein. Ein guter Moment, um sie zu Papier zu bringen. Der Stift in meiner Hand gleitet darüber ohne wirkliches Nachdenken – pur. Wie anders meine Wünsche geworden sind, wie sehr mein Begriff von „Luxus“ sich gewandelt hat. Diese stillen Augenblicke und ein Tag in vollkommener Freiheit. Kein Termin beschäftigt meinen Geist; kein Druck etwas zu tun oder zu lassen. Das Sein mit mir selbst liegt vor mir – und ich stelle amüsiert fest – „da bin ich ja schon mittendrin“. Ein Augenblick des wunschlos-sein. Reiner Genuss.

Bestimmt sind auch schon viele andere wach. Aber auch sie gehören wohl zu den genüsslichen Aufstehern und machen, wie ich auf meinem Balkon, so wenig Geräusch wie möglich. Wie viele von uns wohl grad jetzt den fleißigen Vögeln bei ihren Gesprächen zuhören? Wir schleichen alle leise, um den Schlaf nicht zu stören.

Nach einer langen Weile des Lauschens in die innere und äußere Stille erscheint der Klang der Kirchenglocken plötzlich unverhältnismäßig. Ein Donnern ist es fast! „Die Moral ruft!“ nenne ich es immer mit einem inneren Lächeln und einer gezuckten Augenbraue. In unseren Breitengraden ruft sie mit diesem donnernden Geläut rund fünf Minuten, mich umgeben drei Kirchen. In meinem Sommer in Venezia stellte ich fest, dass ich von unzähligen Kirchen umgeben war. Aber irgendwie hat man dort offenbar eine andere Art zu läuten. Man könnte es als „kurz, knapp & präzise“ bezeichnen…

eine Minute erzählen die Glocken freundlich „Hallo, guten Morgen Ihr alle! Aufstehen, Tag beginnen, macht was draus!“.

Hier erscheint es mir eher oft als „Hey!!! Zack zack! Und weil Ihr sowieso nicht in die Kirchen kommt, läuten wir noch vier Minuten oben drauf!“ – Wie auch immer es gemeint ist, mir erscheint es so, und beide Systeme scheinen ein gewisses Erfolgskonzept zu sein. Das hiesige, nicht enden wollende, lässt mich den Blick von meiner inneren Stille abwenden, den Blick über die Stadt und den türmenden Störenfried schweifen und eine sich seit drei Minuten ankündigende Verspannung zwischen den Schulterblättern weg bewegen. Prompt höre ich Fenster und Türen klappen, Bewegung. Die Stille der Genießer ist so gebrochen, wie die der Weiterschläfer. Sie kehrt nach dem Verklingen des letzten Donners langsam wieder in neuer Qualität. Etwas weniger Zauber… der stille Morgen weicht nun der Geschäftigkeit. Es gibt nun all‘ die Geräusche, deren Abwesenheit ich kürzlich noch so genossen habe. – Nun gut. Ich wünsche mir Kaffee Nummer Zwo und werde den Tag zum zweiten Mal beginnen.

In meinem inneren Ohr ein sanftes kurzes Läuten von San Marco… „macht was draus, schönen Tag Euch!“.

 

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